FSJ vs. BFD

Im Vergleich zum meist eher bekannten FSJ gibt es keine Altersbeschränkung, ihr könnt ihn direkt nach der Schule machen oder aber mit 59. Also, falls eure Eltern noch eine alternative Beschäftigung suchen, einfach mal vorschlagen! Ein weiterer Unterschied ist, dass man ein FSJ nur einmal machen kann, einen BFD kann man immer wieder nach fünf Jahren ableisten.
Ihr arbeitet in der Regel 40 Stunden pro Woche. Das ist für das Taschengeld, das ihr bekommt, schon relativ viel. Das Arbeitspensum darf man wirklich nicht unterschätzen, besonders, wenn man gerade aus der Schule kommt und noch nicht mehr als ein zweiwöchiges Praktikum absolviert hat. Ihr habt natürlich weiterhin einen Kindergeldanspruch, aber ohne finanzielle Unterstützung der Eltern kann es je nach Stadt, in der ihr arbeiten wollt, schon recht eng werden. Aber das erste „Gehalt“ auf dem Lohnzettel zu sehen, hat bei mir trotzdem ein bisschen Bauchkribbeln ausgelöst.

Inhalte und Probleme

Die Aufgaben sind je nach Bereich grundverschieden. Das hängt natürlich in erster Linie davon ab, ob ihr mit Kindern, in der Pflege oder in anderen sozialen Bereichen arbeitet. Allen gleich ist wahrscheinlich der Grundsatz, dass ihr die Fachkräfte bei ihrer Tätigkeit unterstützt. Das kann manchmal ein bisschen unbefriedigend sein, aber im Großen und Ganzen wird einem trotzdem so viel Vertrauen entgegengebracht, dass man mehr machen darf, als den Kollegen hinterherzukehren, keine Sorge. Und sollte es doch mal der Fall sein, dass ihr euch nicht gut aufgehoben oder wertgeschätzt fühlt, dann gibt es immer AnsprechpartnerInnen eurer Organisation, an die ihr euch damit wenden könnt.
Während der Zeit im Freiwilligendienst müssen 25 Bildungstage abgeleistet werden, die beim BFD teilweise schon dem Bereich angepasst wurden, in dem man tätig war. Ich war in einer Kita, demnach hatte ich Bildungstage zur frühkindlichen Pädagogik anstatt z. B. zur Inklusion. Dazu kamen drei Seminarwochen. Ich sag mal so, für Seminarwochen muss man gemacht sein. Ich persönlich konnte dem ganzen Spaß nicht viel abgewinnen. Die Workshops waren ohne Frage interessant und lehrreich, aber da es mir und der einen Hälfte der Gruppe gelegen kam, nach dem Tag wieder nach Hause zu gehen, während die andere Hälfte aufgrund ihres Anreiseweges in der Seminarunterkunft verbleiben musste, konnte sich keine gute Gruppendynamik entwickeln.
Wir hatten also nur ein Blockseminar, für das wir tatsächlich verbindlich für eine Woche wegfahren mussten. Beim FJS war durch drei Seminarfahrten ein ganz anderes Miteinander möglich. Außerdem war die Altersstruktur beim BFD natürlich auch weniger einheitlich, wodurch die Dynamik auch kaum mit einer FSJ-Gruppe zu vergleichen war. Für beides muss man der Typ sein und letztendlich muss man sich auf beides ein Stück weit einlassen können. Wenn man das macht, kann man da aber definitiv eine gute Zeit haben!

So kann`s laufen

Ich krame noch ein bisschen in meinen Erinnerungskisten. Im Februar 2014 schickte ich eine E-Mail an die Paritätischen Freiwilligendienste Sachsen mit einem ausgefüllten Bewerbungsformular für einen Bundesfreiwilligendienst und einem Praktikumsnachweis aus der 9. Klasse. Weil ich gern nur ein halbes Jahr leisten wollte, wurde mir anstelle des FSJ im Vorfeld der BFD ans Herz gelegt. Die Dauer der Freiwilligendienste kann von Organisation zu Organisation wechseln, liegt aber bei beiden(!) in der Regel bei sechs bis 24 Monaten. Bei meiner Organisation war das FSJ für zwölf Monate und der BFD für sechs bis zwölf Monate möglich. Ich kann mich noch an das Gespräch bei der Parität erinnern. Ich war sehr nervös. Wir haben über meine Pläne gesprochen und darüber, welche Einsatzstellen ich mir vorstelle. In einem Kinderheim hätte ich gern gearbeitet, aber da vermittelten sie nur Leute, die auch für ein Jahr bleiben würden. Schade, vor allem, wenn ich bedenke, dass ich ein paar Monate später doch auf ein ganzes Jahr ging. Aber wer weiß, wozu’s gut war.
In einem meiner Ordner ist ganz obendrauf an erster Stelle ein erheblich in Mitleidenschaft gezogenes Formular abgeheftet, das von diesem Tag stammt. Darin hatte mir meine Ansprechpartnerin in der Parität drei Einsatzstellen eingetragen, die ich mir ansehen konnte.
Mit einer der drei Einrichtungen hatte ich auch Kontakt aufgenommen und war zum Probearbeiten dort. Die Kita hat mir aber einfach nicht zugesagt, mir hat irgendetwas gefehlt, um mich da wohlzufühlen. Ich war noch in einer weiteren Einrichtung probearbeiten. Warum es auf einmal schon Juli war, weiß ich auch nicht mehr so genau. Der Leiter der Einrichtung war wegen des engen Zeitfensters tatsächlich noch angespannter als ich. Er brauchte dringend jemanden für die BFD-Stelle, die ihm kurzfristig genehmigt worden war. Was soll ich euch sagen, ich habe beim Probearbeiten wirklich keine gute Figur gemacht, ich war völlig überfordert mit den vielen Kindern, dem Ausflug, den wir an dem Tag gleich gemacht haben, mir hat niemand gezeigt, was ich machen sollte und was später meine Aufgaben sein würden. Und so hab ich mich auch verhalten – ich bin da durch die Räume geschlichen, als hätte ich mich verlaufen, als wäre ich auf eine Party eingeladen worden und meine einzige Bekannte wäre einfach ohne mich weggegangen. Es lief für beide Seiten nicht optimal, aber nach einem Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung sagte ich zu. Ich nenne es seitdem liebevoll eine arrangierte Ehe. Vielleicht mussten wir beide durch die Umstände ein bisschen zu unserem Glück gezwungen werden.*

Lernen für`s Leben

Mein BFD startete also im September 2014, ein paar Monate nach meinem Abitur. Ich war gerade 18, aufgewachsen in einem Dorf mit mehr defekten Straßenlaternen als funktionierenden und mehr Kirschbäumen als EinwohnerInnen. Das Alleinwohnen war aufregend, meine ersten Arbeitstage ebenso chaotisch wie mein Probetag. Möglicherweise bin ich am ersten Tag zu spät gekommen, weil ich an der falschen Haltestelle ausgestiegen bin. Es ist schwer, ein ganzes Jahr auf wenige Zeilen zu bringen. Ich kann euch versprechen, dass es der Zeit nicht gerecht wird. Das wird trotzdem mein Versuch, die Erinnerungen und Erfahrungen aus der Zeit noch einmal einzufangen:

Ich habe in der Zeit gelernt, dass ich nicht nur Geduld mit den Kindern, sondern auch mit mir haben sollte. Dass es ok ist, wenn man nicht sofort funktioniert, und dass es ok ist, wenn man an seine Grenzen stößt. Ich hab gelernt, dass mir Fremde etwas zutrauen können und sie damit Recht hatten. Ich hab gelernt, wie schön es ist, wenn dich ein Kind mag, weil du ihm nichts vormachen kannst. Wenn es dich mag, dann weil es dich mag. Ich hab gelernt, dass Kinder manchmal ganz viel Zuspruch brauchen, um ihre Gefühle rauszulassen, und dass es manchmal sehr lange dauern kann, bis sie Vertrauen zu dir haben. Ich hab über mich gelernt, dass ich extrem schüchtern war und deswegen so schwer in der Kita ankam. Ich hab gelernt, dass es Situationen gibt, die man einfach eine Zeit lang aushalten muss, bis sie besser werden. Ich hab gelernt, dass der Eisberg meiner Unsicherheit am Anfang nur sehr langsam angetaut ist. Ich hab aber auch gelernt, dass er geknackt werden kann, wenn die richtigen Leute mitanfassen. Und die richtigen Leute können dabei sechs Jahre älter sein als du oder acht oder neun, und es macht keinen Unterschied, weil ihr einfach „klickt“ und kurze Zeit später singend durch die Gänge lauft, Witze über die Kids macht und euch theatralisch darüber beschwert, dass sich die Zweijährige noch nicht allein die Socken anziehen kann. Und dann ist plötzlich alles viel leichter. Und dann hab ich gelernt, dass es nicht meine Schuld war, dass die Dynamik manchmal nicht gepasst hat, sondern dass jemand ausgefallen war, den ich nicht einfach ersetzen konnte. Ich hab aber gelernt, dass man schwierige Umstände gemeinsam lösen kann, indem man sich begegnet und aufeinander zugeht, dass solche Situationen zusammenschweißen können und man plötzlich ein Team ist, das perfekt harmoniert und sich versteht, und beide Seiten an der Herausforderung wachsen konnten, vor der sie standen. Ich hab auch gelernt, dass Kinder Arbeit sind. Ich hab gelernt, dass es ziemlich witzige Kinder gibt. Ich hab gelernt, dass Kinder manchmal sehr genau wissen, was gerade gut für sie ist. Ich hab gelernt, dass Kinder keinen Sarkasmus verstehen. Ich hab auch gelernt, dass Kinder gerissene, ausgefuchste und zauberhafte kleine Biester sein können, die dir in einem Augenblick den letzten Nerv rauben und dich im anderen wieder zum Lachen bringen, weil ihre freche und ehrliche Art wahnsinnig entwaffnend ist. Ich hab auch gelernt, dass ich nicht mein Leben lang mit Kindern arbeiten möchte, obwohl ich nicht wollte, dass das Jahr vorbeigeht, und zum Abschied geweint hab wie ein Baby.

Der Fazit: Nutze die Chance auf den BFD

Natürlich gab es auch Dinge, die ich gern anders gemacht oder zumindest gern vorher gewusst hätte.
Ich hätte zum Beispiel gern angesprochen, was eigentlich genau von mir verlangt wird. Offene Kommunikation und so, kann ich nur empfehlen.
Ich hätte mir gern mehr zugetraut, mehr Fragen gestellt, mehr ausprobiert, einfach ein paar andere Aufgaben übernommen oder mir Dinge zeigen lassen.
Ich hätte gern eher gewusst, wie sehr mir die KollegInnen ans Herz wachsen, damit ich ein bisschen befreiter im Umgang mit ihnen hätte sein können. Wobei, vielleicht war’s auch gerade meine Awkwardness, die sie überzeugt hat, wer weiß das schon!

Den BFD zu machen, war ohne Übertreibung, ohne verklärten Blick oder unnötige Romantisierung wirklich die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Ich hab in meiner ganzen Schulzeit nicht so viel über mich gelernt wie in diesem einen Jahr. Und ich hab so viel aus der Zeit mitgenommen – ganz viele erste Erfahrungen, Freundschaften und Gefühle, und das möchte ich alles wirklich nicht missen müssen.

* Damit legitimiere ich KEINESFALLS ARRANGIERTE EHEN, nur falls jemand fragt.