Entscheidungsschwierigkeiten leicht gemacht

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mir als Kind immer wieder von meinen älteren Verwandten gepredigt wurde: „Die Schulzeit war wirklich die schönste Zeit im Leben, wie gern würde ich noch einmal die Zeit zurückdrehen!“ Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, bin ich ehrlich gesagt froh, dass Zeit in unserer Realität linear abläuft und nicht zurückgedreht werden kann.

Denn selbst mit mehreren turbulenten Jahren Abstand muss ich sagen, dass ich um keinen Preis der Welt noch einmal zurück in die Schule gehen würde. Das mag einerseits an dem großen Leistungsdruck an meiner Schule gelegen haben, wo überdurchschnittlich viel gefordert wurde.

Andererseits war da diese diffuse Angst, mit dem nahenden Abitur unaufhaltsam auf eine Art schwarzes Loch der Planlosigkeit zuzusteuern. Denn gefühlt ab dem Moment, wo ich lesen und schreiben könnte, wurde ich andauernd von allen Seiten gefragt, was ich werden möchte – Keine Ahnung, woher sollte ich das wissen? Dieses ständige Nachhaken potenzierte sich irgendwann zu einer fast panischen Angst davor, eben NICHT zu wissen, was ich eigentlich will. Was würde überhaupt mit mir passieren, wenn ich es nicht rechtzeitig herausfand? Gefühlt drohte mir das akademische Fegefeuer und ich würde für alle Ewigkeit zur Berufsberatung gehen müssen.

Wegweiser, Sonnenuntergang, Reisen, Wege, unentschlossen
Panische und gestresste Frau, die in ihren Bleistift beißt, unentschlossen, frustriert, verzweifelt,

Klar gibt es immer wieder Punkte im Leben, an denen man wichtige und wegweisende Entscheidungen über den weiteren Verlauf eigenen Daseins fällen muss – egal, ob im Job, in der Familie oder in Partnerschaften. Die Zeit vor dem Schulabschluss war allerdings das erste Mal, dass mir die Entscheidung über die eigene Zukunft gnadenlos vor die Füße geworfen wurde – und es ganz und gar niemanden gab, der sie mir hätte abnehmen können. Klar gibt es immer wieder Punkte im Leben, an denen man wichtige und wegweisende Entscheidungen über den weiteren Verlauf eigenen Daseins fällen muss – egal, ob im Job, in der Familie oder in Partnerschaften. Die Zeit vor dem Schulabschluss war allerdings das erste Mal, dass mir die Entscheidung über die eigene Zukunft gnadenlos vor die Füße geworfen wurde – und es ganz und gar niemanden gab, der sie mir hätte abnehmen können.

No way!

Dabei würde ich behaupten, dass ich das Thema „Berufsorientierung“ in den Monaten vor meinem Schulabschluss durchaus ernst genommen habe. Schade nur, dass die meisten Informationen, die ich in dieser Richtung sammeln konnte, einfach nur unbrauchbar waren. Der Ausflug unserer Schulklasse zur Berufsberatung des Arbeitsamtes endete für mich mit dem Hinweis, ich solle Sekretärin werden. Davon war zumindest ein unfassbar durchschaubarer Interessentest überzeugt, laut dem ich „gern Dinge hielt“. Wow! Mich überzeugte das eher wenig. Dass ich bei den Infomaterialien, die gefühlt aus den 80er stammten und Berufe wie „Bürstenmacher“ anpriesen, nicht so ganz an der richtigen Stelle war, war mir sofort klar. Klar war mir allerdings auch, dass ich ganz bestimmt nicht dem Drängen meines Vaters nachgeben und Medizin studieren würde. Natürlich hätte es gute Gründe dafür gegeben, in die beruflichen Fußstapfen meiner Eltern zu treten. Immerhin war das ein Beruf, den ich irgendwie kannte, wozu ich einen Bezug hatte. Alle wären mit der Entscheidung glücklich gewesen – außer ich.  Denn ich wollte es meinem Vater auf keinen Fall recht machen. Medizin? No way!

Damit wusste ich bereits wenigstens, was ich auf keinen Fall machen wollte. Durchaus der erste Schritt in die richtige Richtung. Allerdings löste das immer noch nicht das Problem, dass ich keinen blassen Schimmer davon hatte, wohin es eigentlich gehen sollte.

Lauf, Forrest, lauf!

Also entschied ich mich für die am mich bewährteste und plausibelste Methode: weglaufen! Warum sollte ich mich irgendwo halbherzig an einer Uni einschreiben, nur weil alle Welt das von mir erwartete? Viel lieber wollte ich durch die Welt reisen, meine Jugend genießen und mich mit der Mühsal des Arbeitslebens später befassen. Das war die erste Idee, die mich wirklich begeisterte. Ich war bereits zu Schulzeiten mehrmals für längere Zeit im Ausland gewesen und Reisen war etwas, worauf ich mich verstand. Meine beste Freundin war sofort Feuer und Flamme und unser Plan stand: einmal um die Welt, von Amerika über Australien bis nach Asien. Dauer: bis wir pleite sind. Wir verbrachten ganze Unterrichtsstunden damit, heimlich Reiserouten zu planen, Finanzierungspläne aufzustellen und in wilden Backpacker-Fantasien zu schwelgen. Ich war der festen Überzeugung, endlich meinen Weg gefunden zu haben und sehr glücklich damit.

Love is in the air

Das letztlich alles komplett anders kommen würde, hätte ich damals niemals für möglich gehalten. Dabei war der Grund so offensichtlich, wie zeitlos: ich verliebte mich. Ziemlich doll und ziemlich ernsthaft, was all meine Reisepläne vom Tisch fegte, da ich mir plötzlich nicht mehr vorstellen konnte, einfach abzuhauen.

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rote Wand mit offener Tür, die ins Blaue führt, Verwirklichen, Zukunft, Unentschlossen, Entscheidung

Was ich stattdessen machte? Genau das, von dem ich mir immer vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Ich suchte mir eine hippe Stadt und schrieb mich halbherzig in irgendeinen langweiligen, aber sehr akademisch klingenden Studiengang ein, um „was mit Sprachen“ zu studieren. Meine Eltern hatten immer gemeint, dass das zu mir passt. Denn ja, genau, ich schenkte plötzlich sogar der Meinung meiner Eltern Gehör. Liebe macht blind, sagt der Volksmund. Vielleicht macht sie auch taub.

Rückblickend bin ich selbst von mir überrascht, dass ich mich damals so leicht von meinen eigentlichen Plänen für die Zeit nach dem Abitur habe abbringen lassen. Zugegebenermaßen habe ich der Entscheidung schon einige Male hinterhergetrauert. Nicht nur, weil meine Freundin die Reise letztlich alleine angetreten ist und die besten zwei Jahre ihres Lebens hatte. Sondern auch, weil ich ein wenig das Gefühl hatte, mich selber zu verraten.

Und dann kam die Einsicht

Dass ich mein erstes Studium und die damit einhergehende Stadt nach kurzer Zeit hinter mir gelassen und mein Glück an einer neuen Uni und in einem neuen Studiengang gesucht habe, ist daher im Nachhinein nicht verwunderlich. Seitdem versuche ich, mir selbst in meinen Lebensentscheidungen treu zu sein – auch wenn das gar nicht immer so einfach ist.

Denn mein Charakter hat sich nicht geändert. Ich habe immer noch genauso große Entscheidungsschwierigkeiten und bin ebenso sprunghaft wie früher. Meine Vorstellung davon, was ich in Zukunft am liebsten machen möchte, ändert sich gefühlt wöchentlich. Geändert hat sich nur meine Einstellung. Anstatt diese Eigenart, mich nicht so richtig entscheiden zu wollen, als Makel zu sehen, sehe ich es als Chance. Ich kann mich immer wieder für neue Dinge begeistern. Ich weiß, dass mir nicht so schnell langweilig werden wird, denn an verrückten Ideen mangelt es mir nicht.

Warum nur durch eine Tür gehen, wenn doch alle offen stehen?

Das hat zugegebenermaßen dazu geführt, dass ich nach wie vor nicht mit voller Gewissheit sagen könnte, was mein „Traumberuf“ ist. Wie zur Hölle soll das auch möglich sein, wenn es doch so viele coole Dinge gibt, die man im Leben machen kann? Ich möchte nicht wissen, wie oft meine Mutter schon milde lächelnd die Augen verdreht hat, wenn ich ihr mal wieder von meinen Ideen erzählt habe mein Masterstudium für eine Ausbildung als Bootsbauerin an den Nagel zu hängen oder als KFZ-Mechanikerin eine eigene Werkstatt zu eröffnen.

Die gute Nachricht für sowohl mein damaliges als auch mein jetziges Ich: Es ist nie zu spät, deine Meinung zu ändern. Denn keine Entscheidung ist endgültig, auch nicht die darüber, wie es nach der Schule weitergehen soll. Nur weil du dich vielleicht erstmal entscheidest, BWL zu studieren, kannst du danach immer noch Bäcker werden – oder andersherum.

Das mag in Bezug auf die Reise, die ich damals ausgeschlagen habe, unsinnig klingen. Doch tatsächlich habe ich mir genau diesen Traum einfach ein paar Jahre später, nach meinem Studium, erfüllt. Alles, was es dafür gebraucht hat, ist der Mut ein bisschen zu träumen und auch verrückten Ideen eine Chance zu geben.

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