Mario Schneider „Halle ist meine Oase“

„Ich kenne noch die Diva in Grau.“ Trifft man sich mit dem Dokumentarfilmer, Autor, Filmkomponisten und Fotografen Mario Schneider, Jahrgang 1970, um über seine Wahlheimat Halle zu reden, ist so manche kulturelle Anspielung in den Worten versteckt. „Die Diva in Grau“ ist ein Bildband der Fotografin Helga Paris, die Mitte der 1980er-Jahre Häuser und Gesichter Halles auf künstlerisch hochwertige Weise festgehalten hat.

Seit 1990 lebt Schneider in Halle

Nur kurze Zeit später, 1990, also in der Zeit der großen Umbrüche, kam Schneider nach Halle. War er eben noch im Mansfelder Land aufgewachsen, begann er nun ein Studium der Musikwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte. Es waren Lehrjahre, die mit der heutigen Infrastruktur schwer zu vergleichen sind. Da gab es die große Unsicherheit, die große Neugierde. Für den Studenten Schneider war es die Zeit der künstlerischen Experimente, des breiten intellektuellen Austausches, der sehr kostengünstigen und sanierungsbedürftigen Häuser. Erzählt Schneider von dieser Zeit, erinnert man sich an diejenige Atmosphäre, die auch der Schriftsteller Lutz Seiler in seinen Romanen „Kruso“ und „Stern 111“ eingefangen hat.

Schönheit im ruinösen Zustand

„Als Student hatte ich damals sogar ein Extrazimmer für mein Klavier. Da war zwar keine Heizung drin, aber dieser mondän-verrottete Anstrich, dieser bohemehafte Flair und diese langen Feier- und Diskussionsnächte in den Wohngemeinschaften der Künstler- und Schriftstellerszene sorgten dafür, dass es für mich so etwas wie eine Schönheit im ruinösen Zustand gab“, so Schneider. Fällt im gegenwärtigen Halle ein älteres Haus sofort auf und aus der Reihe, war es damals genau umgekehrt. Schneider, der sich mit seinen Dokumentarfilmen, insbesondere in seiner Mansfeld-Trilogie oder auch in „UTA“ als Chronist der Wendezeiten einen deutschlandweiten Namen gemacht hat, will aber auch nichts beschönigen: „Ab ungefähr 1993 fingen die großen Sanierungen an, fortan war der Baulärm jahrelang ein treuer Begleiter.“

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In München gab es Schweinsbraten

Neue Hintergrundgeräusche umgaben Schneider ab 1998, sein Geschick für Filmmusikkompositionen führte ihn nach München. Krasser hätten die kulturellen und sozialen Unterschiede im vereinten Deutschland nicht sein können. „Dort habe ich ab 17 Uhr Tennis gespielt, es gab Schweinsbraten und die Alpen“, so Schneider. Und warum fuhr er damals fast jedes Wochenende nach Halle, warum zog er drei Jahre später wieder zurück in die Heimat? Alte Freunde, private Beziehungen, habituelle Verbundenheit. Die Geschichten des Ostens waren und sind noch lang nicht auserzählt, die drei bis vier Freunde aus WG-Zeiten eröffneten neue künstlerische Möglichkeiten.

Ein guter Blick auf die Welt

Halle bot und bietet dem viel gereisten Schneider genau jene Haltung, die er für seine nah am Menschen tickenden Arbeiten braucht. Obwohl es Angebote gab, hätte ihm der Lebensstil in London, New York oder Berlin nicht gutgetan: „Ich kann am besten arbeiten, wenn ich mich zurücklehnen kann. Halle bietet mir Ruhe und einen guten Blick auf die Welt, an Überdrehtheiten und schnelllebigen Trends bin ich nicht interessiert. Halle ist meine Oase.“ Führt Schneider heute seine westdeutschen Freunde durch die Stadt, überrascht ihn die Reaktion beständig aufs Neue: „Viele denken immer noch, dass Halle eine verschmutzte und abgehangene Industriestadt ist. Sind sie dann einmal hier, sind sie total baff.“

In Halle kann man „die Kinder laufen lassen“

Schneider spricht von der Stadtarchitektur, die Jahrhunderte aufeinandertreffen lässt, von den zauberhaften Burgen, von der zentralen Lage innerhalb Deutschlands und von einer für ihn wesentlichen Infrastruktur: da die Mitteldeutsche Medienförderung, dort der Mitteldeutsche Rundfunk, hier die Theater und seine mitbegründete hallesche Filmproduktionsfirma „42film“. Das Private ist nicht zu vergessen, Schneider erzählt: „Ich bin ja auch Vater. Halle ist ein schöner Ort, um den Jüngeren eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Hier kann man die Kinder laufen lassen.“ Gerade wird an einem Roman der Wendezeit und an einem Fotoprojekt über Leute aus Halle gearbeitet. „Ich möchte mit meinen Arbeiten etwas Wahres über die Menschen herausfinden“, so Schneider. Die Stadt wird ihm weiterhin beistehen.

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