Ufer, Boote, Menschen

Ca. 150.000 Menschen besuchen traditionell am letzten Augustwochenende das Laternenfest. Direkt an der Saale entlang, auf der Ziegelwiese, dem Amselgrund, der Peißnitzinsel und dem Riveufer verteilen sich Jahr für Jahr Stände, Bühnen, Attraktionen, Menschenmassen und natürlich Laternen. Mit Tausenden Menschen schiebt man sich über die Peißnitzbrücke, sitzt dicht an dicht auf Bänken und niedrigen Mauern, weil man nach dem vielen Laufen und Im-Gedränge-der-Menschen-auf-Freunde-Aufpassen eine kleine Pause braucht. Vom Ufer aus lassen sich mit Lichterketten und Laternen behangene Boote betrachten, die über die Saale gondeln und deren Ladung jedem zuwinkt, der auch nur entfernt in ihre Richtung schaut. Was ist das eigentlich mit Menschen auf Booten? Erstens grüßen sie sich untereinander wie Busfahrer und zweitens hab ich noch nie ein Boot gesehen, auf dem niemand Richtung Festland gewunken hätte. Aber genug Verbitterung, winken wir doch einfach zurück. Ist ja auch irgendwie ganz nett. Aber ich schweife ab.

Martin Neuhof

Das Volksfest mit seinen Düften

Das Laternenfest ist vermutlich eines der größten Volksfeste Mitteldeutschlands und, um das direkt klarzustellen, ich habe selbst – zu Recht! – Vorbehalte gegenüber Volksfesten und hätte mir jemand vorhergesagt, das Laternenfest sei eines im klassischen Sinne, ich hätte die Flucht ergriffen, als hätte Scar höchstselbst mir nahegelegt, aus dem geweihten Land zu fliehen. Durch die Dornenhecke. Hey, wir alle haben unsere Assoziationen und Vorurteile, wer ehrlich frei davon ist, werfe den ersten Stein. Für mich waren Volksfeste, Volksmusik und Socken in Sandalen unweigerlich miteinander verknüpft, in etwa wie Studieren, Fahrradfahren und Zukunftsängste. Oder Regen, Festivals und Gummistiefel. Warum ich nicht automatisch davon ausging, es wäre ein solches Volksfest, versteh ich ja selbst nicht. Sagen wir einfach, ich bin nicht immer der längste Pfeil im Köcher. Letztendlich sind doch alle Feste in Deutschland Volksfeste. Na ja. Ein wenig naiv ließ ich mich im Vorfeld von den vielen Lichtern und dem Essen überzeugen (ich sag’s, wie’s ist, gegen solche Argumente bin ich machtlos) und später eines Besseren belehren.

Thema Essen: Die Wege auf dem gesamten Gelände sind gesäumt von Foodtrucks. Die Wahrnehmungen sind so unterschiedlich, dass man gar nicht weiß, worauf man eigentlich Appetit hat. Das Angebot ist wie der Jenga-Turm, wenn man versucht, den linken Stein auf der dritten Ebene erst vorsichtig herauszuklopfen, ihn dann behutsam mit zittrigen Fingern herauszieht und den Turm dann zum Einsturz bringt, als man den sicher geglaubten Stein oben wieder ablegen möchte. Es erschlägt einen ein bisschen. Die Luft ist geschwängert von dem Duft nach Waffeln, Crêpes und Churros. Alles, was frittiert, gebacken oder gegrillt werden kann, wartet an den Ständen darauf, von gierigen Händen ergriffen zu werden. Man verläuft sich regelmäßig auf den Wegen und irgendwann sehen alle Stände gleich aus. Es fallen Sätze wie „Die XXL-Pommes gibt es nur einmal hier, richtig??“ und „Ne, das Rahmbrot gibt’s drüben auf der anderen Seite bei dem Grill, da müssen wir erst über die Brücke zurück.“ und man schwankt zwischen Verwirrung und Verzückung.

Martin Neuhof

Showprogramm für jung und noch jünger

Im Vorfeld gibt es immer eine Programmübersicht. Über mehrere Seiten. Die Masse an Veranstaltungen, Auftritten, Shows und Aktionen, die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten brechen über euch herein wie die Tupperdosenlawine im Küchenschrank eurer Mutter bei dem Versuch, einen grünen Deckel herauszufischen, um drei Pfund Kartoffelsalat einzutuppern. (#servicepost: Bringt eurer Mutter beim nächsten Heimatbesuch die Tupperdosen wieder mit.) Jeden Tag gibt es Livemusik auf verschiedenen Bühnen, zu verschiedenen Zeiten, von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern. Sämtliche Tanzvereine und -gruppen dürfen auftreten und es gibt ganze Kinderparadiese mit Spielstraßen, Kartbahnen, Laternenbasteln und Kinderdisco. Als Familienfest macht es seinem Namen alle Ehre.

Die älteren der immer noch jungen Besucherinnen und Besucher finden sich traditionell eher zur späteren Stunde an den großen Bühnen ein und feiern beispielsweise freitags die Eröffnung oder am Ende den Abschluss des Laternenfestes mit 90er-Jahre-Musik, weil wir als Gesellschaft immer noch nicht so weit sind, auch die 2000er entsprechend abzukulten. Aber die Zeit wird kommen. I’m coming up, so you better get this party started. Vayamos compañeros, Leude.

Natürlich gibt es auch einen Rummel. Überall blinken neonfarbene Lichter und plärrende Jahrmarktsmusik dröhnt aus den Lautsprechern. Es gibt Schießbuden für die Großen, Karussells für die Kleinen und Aufregung für alle. Mein Tipp: Attraktionen unbedingt schon freitags mitnehmen. Es sei denn, ihr wollt 48 Minuten lang in der Schlange stehend anderen bei dem 60-sekündigen Adrenalinrausch zusehen. Solltet ihr wirklich Spaß an Fahrgeschäften haben, dann kann man sich den kleinen Ausflug mit Freunden ruhig einmal gönnen. Oder auch dreimal.

Thomas Ziegler

Laternenumzug im Mittelalter?

Beim Mittelalterlichen Uferspektakel (welch fantastischer Name im Übrigen) gibt es jedes Jahr kleine und große Feuershows, Ritterkämpfe, Musik, Tanz, Met, Stände mit Holzschnitzereien und gefilzten Topflappen. Die Menschen tragen schwere, erdige Kutten und es riecht überall latent nach Rauch, Knoblauch und frischem Brot. Und selbst wenn man sein Herz nicht an Ritter, Burgfräulein und Bauernaufstände verloren hat – das Rahmbrot ist zum Niederknien. Mittelaltermärkte stellen immer eine ganz eigene Welt dar. Diese Einschätzung ist natürlich auf keinen Fall halle-, geschweige denn laternenfestspezifisch. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich die Romantisierung des Mittelalters nicht so richtig nachvollziehen kann. Ich meine, es gab kaum sauberes Wasser, keine Impfungen, die Menschen starben an Pest oder Cholera und die Lebenserwartung lag bei 35 bis 40 Jahren. Wenn es authentisch sein soll, würd ich gern wissen, womit die Tassen gespült wurden, aus denen ihr gerade Met trinkt. Aber na ja, wen die Flucht ins Mittelalter beglückt, der sollte das Spektakel auf dem Laternenfest auf keinen Fall verpassen.

Selbstverständlich findet am Samstagabend immer der Laternenumzug statt, der außerdem vom Spielmannszug Halle e.V. begleitet wird. Traditionell konnte man Samstagnacht auch das Höhenfeuerwerk bestaunen, doch aufgrund zunehmender Trockenheit, und an Trockenheit sind wir in Halle gewöhnt, musste das Höhenfeuerwerk bereits einmal einer Lasershow der Burg Giebichenstein weichen. Um einen Blick darauf zu erhaschen, hätte man allerdings wissen müssen, wo man zu stehen hat. Wir wussten es nicht. Es war alles ein bisschen traurig. Aber wir saßen am Ufer der Saale auf der Erde, konnten die schillernden, mit Lichtern geschmückten Boote beobachten und irgendwie war das ja auch ganz schön.

* Für einen eventuellen Ohrwurm einfach den ersten Absatz noch mal lesen. Oder singen. Ich garantiere für nichts.