„Olééééé, olééééé, olééééé, olééééé!“
„Und, was macht ihr heute noch?“, fragt Michi. „Ich geh heute noch auf ’ne WG-Party, und ihr?“, fragt Lukas weiter.
„Ich geh noch einkaufen“, sage ich verzaubert. „Was, jetzt noch, Späti oder was?“
„Nee, Supermarkt, bei mir um die Ecke.“ „Wo gibts denn das, Lindenau oder irgendwo im Osten?“
„In Halle“, sage ich so, dass es alle Nachbartische hören.
„Yes, Tor, Strike, GOOOAAAAL ... gewonnen!“ Endlich eine Kategorie in dem unreflektierten Trendsport Leipzig disst Halle, in der ich gewonnen habe. „Gewonnen!“, schreie ich, reiße die Arme hoch und laufe zur Haltestelle. „Gewonnen, gewonnen!“
In der Tram treffe ich auf einige RB-Fans. „Gewonnen“, sage ich, „Jewonnen!“ „Ja, jewonnen!“, schreien sie. „Olééééé, olééééé, olééééé, olééééé!“ Wir liegen uns in den Armen. „Gewonnen!“ „Ja, jewonnen.“ Der Abschied am Hauptbahnhof fällt meinen neuen Freunden sichtlich schwer. „Tschüss Ole, tschüss Ole und tschüss Ole“, sage ich, die RB-Fans gucken sehr überrascht. Dieser Gemütszustand löst sich auf in „Olééééé, olééé, oléé.“
Back in my hood erreiche ich das eigentliche Wahrzeichen der Stadt, es ist nicht die Marktkirche oder der Dom oder das Händeldenkmal oder das Händelhaus, sondern der 24-Stunden-Edeka bei mir um die Ecke. Er öffnet montags um sieben Uhr und schließt samstags um 20 Uhr und hat damit, im modernen Marketingsprech, 24/5-größer-einhalb offen.
Im Edeka 24/5-größer-einhalb ist die Hölle los, alle kaufen ihre Partyvorbereitungsdinge kästenweise.
„Piep, Piep, Piep“
Ich versuche, mich an meinen Einkaufszettel zu halten: Zucker, Schlagsahne, Kräuterseitlinge. Hm, Kräuterseitlinge, auf welcher Seite könnten die sein? Vielleicht liegen die neben den Kräuterfrontallingen. „Seitlinge“, brabble ich unbeholfen vor dem Pilzregal. „Hier, die sind beiseitegelegt“, zeigt Vinz mir das Fach. Ich werde ihn in zwei Wochen beim Unisportkurs wiedersehen, er wird mich mit „Du bist doch der Pilztyp?“ begrüßen und ich werde erwidern: „Genau, der fünfte Beatle, aber sag’s nicht weiter.“
„Danke“, sage ich zu Vinz, „jetzt muss ich nur noch die Kräuter dazu finden.“ „Haha“, macht Vinz und geht weiter. Die sind ganz schön teuer im Vergleich zu den Champignons, meinen Spezial-mitwohnis, denke ich noch.
Die Kassenschlange ist lang, ein neuer Mitarbeiter wird an meiner Kasse eingearbeitet. Neuer und einarbeitender Kassierer klingen und sehen arabischstämmig aus, ich gebe ihnen Namen, wie ich allen Menschen, die ich nicht kenne, Namen gebe, ich nenne sie Ali und Mohammed, weil sie einen schlagfertigen Eindruck machen. Endlich bin ich dran, Mohammed und Ali begutachten meinen Einkauf, „piep, piep, piep“ gehen die Dinge über den Pieper. Nun entdecken sie die Kräuterseitlinge, Mohammed fragt Ali irgendwas auf Arabisch und blättert in seiner Nummernliste rum, Ali winkt ab und tippt etwas in die Kasse, ich bezahle und packe ein.Bei der Kontrolle des Kassenzettels stelle ich fest, dass meine Kräuterseitlinge gut und günstig als Champignons durchgegangen sind. „Gewonnen, yes, gewonnen!“, schreit es aus mir raus.
Auf dem Nachhauseweg stelle ich mir vor, wie meine Kräuterseitlinge in der Einkaufstasche singen: „We are the Champignons, my friend ...“
Da treffe ich Fabi mit seinem Mitbewohner. „Was macht ihr?“, frage ich. „Wir holen Nachschub für die WG-Party, du weißt doch, warum die Partys hier im Viertel nie enden, der Nachschub ebbt eben nie ab.“
„Während Leipzig schon pennt, wird in Halle noch gefeiert. Gewonnen!“, rufe ich und noch mal „Gewonnen!“, so lasse ich einen verwunderten Fabi stehen und gehe nach Hause.