Apropos Saale, Kröllwitz war ursprünglich ein sorbisches Fischerdorf. Hinweise darauf finden sich insbesondere in der Grellstraße, nahe der Haltestelle Talstraße, an deren Häuserwand ein Schiff die Fassade ziert.*
Nun denn, wir bewegen uns ja inzwischen ein wenig außerhalb des Zentrums, aber ich werde nicht müde zu betonen, dass der Vorteil an einer vergleichsweise kleinen Großstadt ist, dass man von jeder Ecke aus schnell im Stadtkern ist. Und es stimmt, auch wenn die Straßenbahnanbindung nicht überall in Kröllwitz die stärkste ist, genügt es doch vollends, um nach Downtown zu düsen.
Aber wozu in die Downtown, fragt ihr euch völlig zu Recht, wenn doch alles, was ihr braucht, auch hier zu finden ist? Danke für den Hinweis, da hak ich doch direkt mal ein. Kröllwitz hat einen Unicampus, ein Krankenhaus, eine Kirche und einen Aldi, und ganz ehrlich, was wollt ihr denn noch! Nein, im Ernst, im Süden von Kröllwitz liegt der Technologiepark Weinberg Campus der MLU, auf dem viele universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen angesiedelt sind und gemeinsam z. B. auf den unterschiedlichsten Gebieten der Biochemie, der Biotechnologie, der Agrarwissenschaften und der Ernährungswissenschaften forschen. Auf dem Campus befinden sich auch die Weinberg-Mensa und eine Wohnanlage des Studentenwerks, somit ist hier doch wirklich für alle(s) gesorgt.
Katzensprünge auch in Kröllwitz
Und auch vom Campus nur einen Katzensprung entfernt liegt das Universitätsklinikum Halle – es ist, wie es der Name schon verrät, an die Medizinische Fakultät der MLU angegliedert, die sich allerdings auf dem Medizinercampus in der Nördlichen Innenstadt befindet. Die Uniklinik wurde in den 70er- bis 80er-Jahren als Klinikum Kröllwitz erbaut und ging noch während des Baus 1979 an die MLU über. Ein sehr eindrucksvolles Gebäude, das ihr hoffentlich nur von innen seht, wenn ihr Blut spenden geht oder im Haus arbeitet.
Auch die Bemerkung über die Kirche war kein Scherz – die Petruskirche ist vielleicht nicht so groß und erhaben wie die Pauluskirche, steht ihr aber in nichts nach. Sie ziert genauso der rote Backstein, ganze sieben Monate früher erfolgte in Kröllwitz die Grundsteinlegung, sie wurde ebenfalls auf einem „Hügel“ errichtet und, und jetzt folgt mein Lieblingsfunfact dazu, der „Hügel“ in Kröllwitz ist der Tanneberg, ein 30 m hoher Porphyrfelsen am Saaleufer – und jetzt lasst uns kurz innehalten und die Tatsache genießen, dass der Sockel und sämtliche Treppenaufgänge der Pauluskirche aus Porphyr bestehen.
Ja, also, ich weiß nicht so richtig, wo ich damit hinwollte, aber die Verbindung hat sich einfach so ergeben. Was hättet ihr getan? Ich mach’s kurz, seht euch einfach beide Kirchen mal an, aus historischer und architektonischer Sicht lohnt sich das immer!
Kultur und Natur
Um beim Thema Kultur zu bleiben: Ganz in der Nähe der Petruskirche befindet sich die Kunsthalle Talstraße – eine alte Stadtvilla, die seit den 50er-Jahren als Atelier und Arbeitsstätte für junge Künstlerinnen und Künstler aus Halle eine Art Heimathafen an der Saale bietet, in der heute noch Galerien und Ausstellungen stattfinden und an die sich ein süßer, kleiner, versteckter Garten mit einem Skulpturenpark unterhalb des Tannebergs anschließt.
Das eigentliche Highlight in diesem Teil der Stadt sind aber ohne Frage die Landschaft und die Saale. Das mag im ersten Moment wie ein sehr verzweifelter Hilfeschrei nach etwas Herausragendem und Außergewöhnlichem klingen, nach etwas, das würdig genug ist, hervorgehoben und bewundert zu werden – und hey, wenn es nichts anderes gibt, muss eben die Natur herhalten. Ihr müsst das aber einfach mal gesehen haben. Werden wir mal persönlich: Jedes Mal, wenn ich mit der 7 zur Talstraße fahre, stehe ich eine Haltestelle vorher bereits auf und stelle mich an die Tür, um den Blick über die Saale zu haben, wenn die Bahn über die Giebichensteinbrücke fährt. Fehlt nur noch, dass ich anfange zu klatschen, wenn die Bahn anhält, dann wäre meine Alman-Boss-Transformation endgültig abgeschlossen. Dabei ist es egal, ob der Himmel grau und wolkenverhangen, ob die Bäume mit Schnee bedeckt sind oder bei 32° C in der Sommersonne rösten, denn die Aussicht ist immer fantastisch.
Und noch mehr Natur
Neben dem Tanneberg lohnt sich auch ein Ausflug zum Ochsenberg. Besonders dieser Teil von Kröllwitz ist so hoch gelegen, dass man von überall einen großartigen Ausblick genießen kann. Ob auf die alte Kefersteinsche Papierfabrik, in der über fünf Generationen lang von 1715 bis 1940 Papier hergestellt wurde und die heute als Ruine am nördlichen Saaleufer steht, oder auf die Burg Giebichenstein, die sich doch wahnsinnig eindrucksvoll aus dem gegenüberliegenden Ufer erhebt. Halle kann schon ein bisschen Magie, Freunde.
Wer von der Saale noch nicht genug hat, sollte auch seinen nächsten Spaziergang zum Amselgrund und zur Brüderhöhle machen. Um die Brüderhöhle rankt sich übrigens die tragische Sage, dass hier einst zwei Brüder um dasselbe Mädchen kämpften und bei der Höhle verstarben, in der das Mädchen sie beerdigte. Möchte jemand auf Geisterjagd gehen? (GHOSTBUSTERS!)
Und wer wirklich genug hat vom Saaleufer (kann ich mir nicht erklären, aber OK), für den bietet ja vielleicht das Naturschutzgebiet Brandberge die ersehnte Erholung.
... Und abschließend
Zugegeben, in Kröllwitz werden die Straßenlaternen nicht gerade mit Strobolicht betrieben. Hier reihen sich nicht Restaurants an Cafés an Bistros und hier fällt man auch nicht vom Kino ins Theater. Aber zum Leben, Verweilen, Spazierengehen, Wohnen, Bahnfahren, Eisessen, Staunen, Bewundern und Durchatmen gibt es hier unzählige Gelegenheiten und die sollte man wirklich nicht verpassen.
Ach so, und nachdem ich jetzt so ein romantisches Bild von Kröllwitz gezeichnet habe – an der Haltestelle Talstraße gibt es wohl das berühmteste Graffiti der Stadt: #SEXYKRÖLLWITZ
Die Gegensätze feiern tausend Feste.
* „Sie glauben, dass diese Geschichte wahr ist? Ich muss Sie enttäuschen, sie ist frei erfunden.“ Aber was daran ist frei erfunden? Das Schiff? Die Häuserwand?? Ob ihr wirklich richtig seht, merkt ihr wenn ihr vorm entsprechenden Haus in der Gellerstraße steht, aber ob das wirklich ein Hinweis auf das Fischerdorf ist, na ja, I daut it.**
** Video-Memes funktionieren geschrieben nur so semi, merk ich gerade.