Das Stadtviertel ist geprägt von großen Altbauwohnungen mit hohen Decken und abgewetzten Türen. Vermutlich knarzen die Dielenfußböden. Und der Wind pfeift durch die alten Fenster und unter den Zimmertüren hindurch. Gäbe es Fensterläden, würden sie klappern. Man kommt nicht umhin zu sagen: Der Zauber ist echt. Die Lichterkette über dem Palettenbett und die selbst gebundenen Traumfänger hängen sich quasi von selbst zur perfekten Instagramkulisse auf. Die Häuser schmücken sich im Geheimen mit begrünten Innenhöfen. Kleine Oasen der Ruhe im Herzen der Stadt. Das ist der Charme des Altertums, Freunde. Hier können alle Makel noch romantisiert werden. Apropos romantisiert: Die LuWu verläuft vom Reileck aus bergauf – von oben hat man den Blick auf die schönsten Sonnenuntergänge.




Die Pauluskirche, die sich im Kern des Stadtteils auf dem sogenannten Hasenberg erhebt, gab dem Stadtviertel Anfang des 20. Jahrhunderts übrigens seinen Namen. Sie liegt komplett im Grünen. Der Hasenberg wurde früher gern als Rodelberg genutzt, aber nachdem wir den Winter erfolgreich abgeschafft haben, fällt dieses Feature leider weg. Die Wege ringsherum sind von Bäumen gesäumt, wie kleine Alleen. Die Wiesen laden zum Hinfallen und Liegenbleiben ein, die Treppenstufen zum Stehenbleiben und Umdrehen: für den Ausblick, bevor man die Kirche erreicht hat. Die Straßen bilden sich ringförmig um die Kirche. Sie schmückt den Rathenauplatz, der früher einmal Kaiserplatz hieß. Passend dazu: Das Viertel wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Kaiserviertel geplant – als Wohnort für Professoren und Beamte. Heute wohnen hier vermehrt junge Familien mit Kindern, aber auch Studierende werden trotz der inzwischen höheren Mieten von der zentralen Lage angezogen und von der Umgebung ein bisschen verzaubert.
Abgesehen davon warten noch einige mehr oder weniger random Empfehlungen...
Eis essen
- Eisdealer an der LuWu – bekannteste Eisdiele im Paulusviertel, es gibt kleine Kugeln für Kinder und veganes Eis
- Vanilla der Eisladen – das Stracciatellaeis war der Knaller, man munkelt, das vegane Eis sei da noch besser als beim Eisdealer
Essen
- Colonne Morris – von Frühstück bis zu Flammkuchen und von Pancakes bis zu Pasta, hier finden sicher viele Herzen ihr Glück
- Zwei Zimmer, Küche, Bar – es gibt zwei Zimmer, eine Küche, 'ne Bar und ein bisschen Musik – und sind wir mal ehrlich, mehr braucht's ja auch nicht
- Mextreme – schon allein, um den Unterschied zwischen Tortillas, Burritos, Enchiladas, Chimichangas und Tacos zu lernen, lohnt sich ein Besuch mit Sicherheit
Tattoo/ Piercing
- Bodyship – beim Stechen des Piercings darf man ein Kuscheltier halten, ohne Spaß!
Einkaufen
- 24h-Edeka – alle Legenden sind wahr und er hat schon so manche Partynacht gerettet
- Crummes Eck – hier werden Lebensmittel ausgegeben, die Supermärkte und Discounter nicht mehr verkaufen können oder die es gar nicht erst in den Verkauf schaffen. Klamotten und Bücher können im Tausch-Flur mitgenommen werden. Man muss nichts bezahlen, aber ohne kleine Spenden hier und da kann sich der Laden natürlich nicht halten – also seht es doch wie einen normalen Einkauf.
Sehenswürdigkeiten
- Pauluskirche – auch ohne oder mit anderer Konfession zumindest einen Besuch wert, um die Backsteingotik zu bewundern
- Synagoge – sie befindet sich unweit der Pauluskirche, an sie grenzt ein jüdischer Friedhof an. Sie wurde 1953 als solche eingeweiht, nachdem sie jahrelang eine Friedhofskapelle dargestellt hatte. Auf dass ihre Türen und Mauern alles abhalten können und es doch nie wieder beweisen müssen!
- Wasserturm Nord – er wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Rossplatz ganz in der Nähre der heutigen Synagoge gebaut und erfreut sich inzwischen seines Ruhestandes. Er wird selbstverständlich nicht mehr zur Trinkwasserversorgung genutzt, auch Halle lebt im 21. Jahrhundert, ich bitte euch. Aber als Wahrzeichen und Denkmal macht er immer noch viel her.
Lieblingsstraßenname
Ganz klar die Schleiermacherstraße. Woher kommt der Name? Wer hat diese Schleier gemacht? Und wofür? Ich habe Fragen.*
#justpaulusthings
An jeder Straßenecke stellen die Leute Sachen raus, die sie nicht mehr brauchen – das ist nicht zwangsläufig Müll, darunter sind auch Bücher, DVDs, sogar ganze Möbelstücke und Klamotten
Nun denn, wie ein Kaiser kann man im Paulusviertel vielleicht nicht leben. Also ist es wohl ganz gut, dass es umbenannt wurde. Wenn man hier schon nicht wohnt, das Eis muss man probiert haben. Von beiden, eigentlich. #notsponsered
* Friedrich Schleiermacher war ein deutscher Theologe, Staatstheoretiker und Philosoph. Wollte nur den Gag machen. Schaut mich nicht so an, niemand hat behauptet, dass er gut wäre.